Dubai vs Deutschland. Die Golfstaaten sind bekannt für ihre glitzernden Hochhäuser. Höher und teurer geht es kaum. Dennoch können diese Gebilde nicht mit den Konstrukten konkurrieren, die zu erbauen die Gesellschaften im sogenannten Westen in den vergangenen Jahrzehnten keine Mühe gescheut haben. Gemeint sind die Fantasiebilder, die in Europa über die arabische Welt gemalt wurden. Obwohl inzwischen Millionen Araber:innen in Deutschland leben, kursieren unter Deutschen immer noch die erstaunlichsten Vorstellungen über unsere Heimatländer. Immer wieder trifft man hier tatsächlich Menschen, die glauben, dass bis heute Kamele in den Golfstaaten oder in arabischen Ländern insgesamt, das Hauptverkehrsmittel sind. Manche behaupten, dass Qatar in Dubai liegt oder Dubai in Saudi Arabien!
Mansaf und die Hauptstadt Frankreichs?
Im vergangenen Monat besuchte ich mit meiner Frau Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Nach fast zehnjähriger Trennung konnte ich endlich meine Familie wiedersehen. Ich hatte viele seltsame Erlebnisse. Sie waren fast so komisch wie die Videoclips, die ich neulich gesehen habe. Darin werden US-amerikanische Passanten nach der Hauptstadt Frankreichs gefragt und sie antworten ohne zu zögern: „Dänemark!“
Als ich einer Kollegin von meinen Reiseplänen erzählte, fragte sie mich überrascht: „Nach Dubai?“ Ist es nicht gefährlich, dass du deine deutsche Frau dorthin mitnimmst?“ Die Frage war für mich unverständlich! Gefahr für meine Frau? Warum sollte das gefährlich sein? Sie antwortete mir: „Weil sie eine Frau ist! In Saudi-Arabien werden doch Frauen verfolgt!“ Ich muss allerdings zugeben, dass mich diese Bemerkung trotz aller Absurdität doch beeinflusste. Acht Jahre in Deutschland sind auch an mir nicht spurlos vorbeigegangen. Ich reise mit einer gewissen Anspannung und Angst im Nacken. Unbewusst scheinen die in meinem deutschen Umfeld verbreiteten negativen Stereotypen doch einen Effekt auch mich gehabt zu haben. Nach dem ersten Teller Mansaf nach der Ankunft in Jordanien waren sie allerdings zum Glück wie weggeblasen.
Pünktlichkeit!
Es ist wirklich beeindruckend und überraschend, wie Deutschland sein glänzendes Image als Exporteur von Autos ins Ausland bewahrt hat! Immer, wenn wir in Jordanien oder Dubai erzählten, dass wir aus Deutschland kommen, bekamen wir die gleiche ehrfürchtige Reaktion: Oh, Deutschland! Das Land der Pünktlichkeit. Das Land der Urbanisierung, Entwicklung, Zivilisation… und Pünktlichkeit. Effizienz, Professionalität und Pünktlichkeit. Wissenschaft, Technik, Medizin … und Pünktlichkeit! Das Land der Motoren, der Geschwindigkeit … und der Pünktlichkeit! Es herrschte auch Einigkeit darüber, dass jedes in Deutschland hergestellte Produkt das unbestritten Beste ist! Ich erinnere mich genau an diesen ehrfürchtigen Blick, den gleichen Blick, der mich vor acht Jahren nach Deutschland gebracht hat!
Es war nicht einfach, mit dieser Bewunderung umzugehen. Wie spricht man in diesem Klima der Ehrfurcht von Bahnverspätungen und dem Versuch, einen Termin beim Berliner Bürgeramt zu bekommen? Wie können wir glaubhaft machen, dass in Deutschland tatsächlich noch 80 % der Unternehmen Fax nutzen? Wie sprechen wir an, dass in der Bundesrepublik Geschwindigkeit und Effizienz immer einen Stempel brauchen und die Anträge darauf oft lange in den Ablagen der Behörden abhängen müssen, bis sie umgesetzt werden? Apropos Land der Urbanisierung: Die Bauarbeiten in meiner Straße dauern dort schon ebenso lange wie ich dort wohne: Acht Jahre! Und es ist noch kein Ende in Sicht. Der Bau des Berliner Flughafens hat mehr als zwanzig Jahre gedauert!
Es überzeugt nicht mehr
Auf der anderen Seite war ich schockiert, welchen Imageverlust Deutschland in einem anderen Bereich erlitten hat. Es gilt nicht mehr als Land der Freiheiten, der Menschenrechte und der gerechten Betrachtung der Anliegen für die arabischen Völker. Die Menschen, die eben noch von deutscher Technik schwärmten, äußerten sich im nächsten Moment sehr kritisch über den unklaren Kurs der Regierung und den Aufstieg der rechten Kräfte, über unfaire Asylpolitik und die Zunahme von Abschiebungen. Besonders die Angewohnheit, über alles und alle zu urteilen und mit Vorwürfen um sich zu werfen, schadet dem Ansehen Deutschlands in diesem Teil der Welt sehr.
Bewölktes Bild wie Berliner Wetter
Was mich überwältigte, war die unglaubliche Freundlichkeit in Jordanien. Ich bin es gar nicht mehr gewohnt, dass Menschen so nett und liebevoll miteinander umgehen; vor allem im Gastgewerbe und im Dienstleistungsbereich! Dubai hingegen ist in Bezug auf Vielfalt, Urbanisierung, Geschwindigkeit, Effizienz und einfache Transaktionen ein völlig anderer Planet. Dubai ist wie ein Bienenstock, der nie aufhört zu summen. Hier fühlt sich auch niemand fremd, denn alle sind fremd.
Dazu gibt es Kameras an jeder Ecke: Auf Parkplätzen, Kreuzungen, Ein- und Ausfahrten, Straßen und Gassen, überall. Für Deutsche ist dies der absolute Privatsphären-Albtraum. Gleichzeitig machen die Verbreitung von Kameras und strenge Gesetze die VAE zum sichersten Land zum Leben, mit der zweitniedrigsten Kriminalitätsrate der Welt nach Katar . Ich verstehe die ganze Kritik an den Emiraten und den Arabischen Golfstaaten im Allgemeinen, aber nach vielen Jahren in Europa verschwimmt der kritische Blick. Man kann sagen das Bild ist so verregnet und trüb geworden wie das Wetter in Berlin!
Dubai vs Deutschland
Ständig wurden wir gefragt, was besser ist: Hier oder da? Deutschland oder Dubai? Die Frage liegt auf der Hand, denn beide Länder suchen dringend Arbeitskräfte. Sie stehen in Konkurrenz zu einander. Und, ohne Zweifel, es gibt große Unterschiede bei der Art, wie ausländische Arbeitskräfte behandelt werden. In Deutschland genießen sie viel mehr Rechte und soziale Sicherheit, dafür tun sich in den Emiraten für gut ausgebildete Fachkräfte deutlich größere Chancen auf. Steile Karrieren sind möglich, wenn die Personen qualifiziert sind und bereit, hart zu arbeiten.
So lässt sich nicht pauschal sagen, welches das bessere Einwanderungsland ist: Deutschland oder die Emirate. Es ist eine Typ-Frage. Was für den einen ein tolles Land mit vielen Möglichkeiten ist, kann für jemand anderes ganz und gar falsch sein. Manche mögen Luxusleben und schnelle Autos, andere wollen es lieber gemütlich und genießen die Natur.
Schließlich sprach ich nach meiner Rückkehr mit meiner Kollegin über den Urlaub. Ich erzählte ihr von der Zeit, die ich mit meiner Familie in Jordanien und den Emiraten verbracht habe, und meine Beobachtungen in beiden Ländern. „Es hört sich wirklich nett an, aber sie haben keine Menschenrechte und keine Meinungsfreiheit“, erwiderte sie. Ich schnappte verärgert nach Luft und erwiderte ihr, dass möglicherweise die „Meinungsfreiheit“ gerade bei einem Termin mit der „Pünktlichkeit“ in einem deutschen Bahnhof feststeckt und die beiden sich in eine Diskussion verwickelt haben, welche Verbesserungsmöglichkeiten sie haben.
Dubai vs Deutschland