Gestern kam ich mit einem Nachbarn im Flüchtlingswohnheim in Berlin-Marienfelde ins Gespräch über den Vorschlag, Asylbewerber für 80 Cent pro Stunde zur Arbeit zu verpflichten. Bevor der Mann etwas sagen konnte, antwortete sein Sohn Mohammed, ein Sechstklässler: “Der Mindestlohn beträgt 12,41 Euro. Das ist nicht fair.” Ich fragte ihn: “Wo siehst du dich in zehn Jahren?” Er antwortete: “Dann bin ich Ermittler bei der Polizei.”
Nach diesem Gespräch habe ich mich gefragt, welchen Zweck es hat, Flüchtlinge zur Arbeit zu zwingen. Im Saale-Orla-Kreis in Thüringen hat man damit schon begonnen. Ist es ein Anreiz zur Integration in den Arbeitsmarkt oder handelt es sich um Ausbeutung?
Mohammeds Traum bricht das Klischee, das echte Populisten und deren Nachahmer im Saale-Orla-Kreis über Flüchtlinge und Asylbewerber verbreiten. Sie behaupten, dass Flüchtlinge nicht arbeiten wollen, sondern nur Sozialhilfe erhalten.
Genau das wäre doch die Pflicht der Regierung. Sie sollte alles dafür tun, Diskriminierung am Arbeitsmarkt zu beseitigen. Sie sollte den Zugang zu Sprachkursen erleichtern. Sie sollte Ausbildung organisieren, die den in den Heimatländern erworbenen Fähigkeiten entsprechen. Und sie sollte Flüchtlingen zeitnah eine Arbeitserlaubnis geben.
Lesen Sie hier, warum die Arbeitspflicht für Asylbewerber sinnvoll ist
Haben die Populisten über die psychischen Risiken ihrer Idee nachgedacht? Über das Gefühl der Demütigung, wenn man für fast kein Geld arbeiten muss? Ist ihnen in den Sinn gekommen, dass dies Ablehnung gegenüber der Gesellschaft hervorruft, in die sie sich integrieren wollen?
Letztendlich liegt der wahre Prüfstein für eine gerechte und integrative Gesellschaft nicht in Zwang oder Bestrafung. Sondern in unserer Fähigkeit, die jedem Menschen innewohnende Würde anzuerkennen. Es ist wichtig, einen Weg zur Inklusion zu ebnen, der auf Solidarität, Gerechtigkeit und Respekt beruht.
Dieser Kommentar von Amal-Autor Khalid Al Aboud ist bei Chrismon erschienen.