August 11, 2025

Sommer in Damaskus Woche vier

Die vierte Woche unserer Summerschool für Journalist:innen in Damaskus steht ganz im Zeichen der besonderen Begegnungen. Am Sonntag interviewen die Teilnehmenden des Workshops den deutschen Anwalt Kilian Bälz, der von seiner Zeit als Student in Damaskus erzählt. Anfang der 1990er Jahre lernte er an dem renommierten Institut für Arabische Sprache in Damaskus. Seitdem ist er in der arabischen Welt unterwegs und arbeitet als Anwalt. Nun kehrt er zum ersten Mal seit 15 Jahren nach Damaskus zurück. Mit den Teilnehmenden des Workshops diskutiert er über die Veränderungen in Syrien und über die Perspektiven für die Zukunft. Besonders interessiert die Journalist:innen die persönliche Perspektive von Kilian Bälz auf Syrien. Was mag er an diesem Land?

Kilian

Über den Besuch schreiben die Teilnehmenden einen Bericht. Nachrichtliche Berichte und journalistischen Sachtexte sind das inhaltliche Thema in dieser Woche.

Am Dienstag kommen drei Kollegen des Projektes Tadamun Dos zu Besuch. Sie betreiben seit dem Beginn des Aufstandes gegen Baschar al Assad 2011 eine Facebookseite mit Nachrichten aus ihrem Stadtteil Tadamun. „Das Besondere an Tadamun ist, dass hier Menschen aus allen Teilen Syriens zusammengekommen sind. Das Gebiet ist seit den1980ern zu einem Stadtteil geworden und es hat Menschen angezogen, die vom Land in die Stadt gekommen sind: Sunniten, Alawiten, Druzen, Christen. Tadamum ist so wie Syrien im Kleinen gewesen“, beschreibt Ahmad Adra, einer der Journalisten. Im Gespräch mit den Teilnehmenden des Workshops geht es um die Art, wie die Journalist:innen aus Tadamun berichten: In den Jahren des Aufstandes haben sie zunächst vor allem zu Demonstrationen aufgerufen und die Nachrichten der Opposition veröffentlicht. Tadamun wurde zu einem Zentrum des Kampfes zwischen Regime und Opposition. Das Gebiet wurde abgeriegelt, beschossen und zuletzt kam es zu einem erbitterten Kampf, als das Gebiet von Truppen des IS besetzt war. Weltweit bekannt wurden der Name Tadamun durch ein brutales Massaker, das 2013 dort an Zivilisten verübt wurde. Gerade jetzt hat die syrische Regierung angekündigt, die Hintergründe aufzuklären und so einen ersten Schritt in Richtung Vergangenheitsbewältigung zu unternehmen. Heute berichten die Journalist:innen viel über den Wiederaufbau, die fehlende Infrastruktur und die Erinnerungen der Bewohner. „Wir wissen, wie schlimm das Regime war und freuen uns, dass es weg ist. Wir sehen auch, dass wir im Moment in einer heiklen Phase sind. Leicht könnte das Land in einen neuen Konflikt kippen, deswegen sind wir sehr vorsichtig, was wir veröffentlichen“, beschreibt Ahmad Adra. Bevor eine Nachricht gepostet wird, schicken sie diese an einen großen Whatsapp Verteiler. Nur, wenn es keinen Widerspruch gibt, keine Korrektur etwaiger Fehler oder einen Aufschrei der Empörung, weil die Gefühle von einer bestimmten Bevölkerungsgruppe verletzt wird, geht die Meldung online. „Das höchste Gut ist der innere Frieden. Den müssen wir unbedingt schützen!“, sagt er.

Am Mittwoch dann kommt ein Team vom ZDF zu Besuch im Workshop, um einen Beitrag über die Arbeit der Summerschool zu drehen. Natürlich will der Kameramann das Team nicht nur im Trainingsraum interviewen. Er will die Journalist:innen in Action. Das lassen sie sich nicht 2x sagen. Wo könnten sie recherchieren und Interviews führen? Sie überlegen nicht lange und machen sich auf den Weg nach Tadamun, um dort Bewohner:innen zu interviewen. Obwohl das Gebiet weitgehend zerstört ist, kehren jetzt verstärkt die früheren Bewohner:innen zurück. Sie suchen, was von ihren Häusern übrig ist, renovieren, reparieren und richten sich wieder ein. Für einige der Workshopteilnehmenden ist es Alltag, zwischen Ruinen zu laufen und mit Menschen zu sprechen, die Beschuss und Zerstörung erlebt haben. Sie leben selbst unter ähnlichen Bedingungen. Für andere ist es das erste Mal, dass sie nach Tadamun kommen und sehen, was der Krieg hier angerichtet hat. Die Auseinandersetzung mit dem, was „die anderen“ in den vergangenen Jahren erlebt haben, ist Teil des Workshop-Ziels.

Es entstehen Reels und kleine Videoreportagen. Vor allem entstehen sehr viele neue Eindrücke und  Erfahrungen. So wird das journalistische Selbstbewusstsein gestärkt und das mitfühlende Herz geschult. Beides ist für die Arbeit von Berichterstatter:innen in Syrien in diesen Tagen wichtig.

Am letzten Tag der Woche bekommt das Workshopteam eine spontane Einladung: Wir besuchen die Nachrichtenagentur Sana. Auch Sana ist ein Name, der weltweit bekannt ist: Die Nachrichtenagentur war lange das Sprachrohr des Regimes von Bashar al-Assad. Hier wurden veröffentlicht, wie der Diktator die Welt sah. Demonstranten wurden hier oft als Terroristen bezeichnet. Zivilisten zu islamistischen Kämpfern erklärt und der Hass auf Israel geschürt, um das Land zusammenzuhalten. Das ist alles Vergangenheit.

Sana

Noch am 8.12.2025, am Tag, als Bashar al-Assad aus Syrien floh, bekam Sana einen neuen Chefredakteur und seitdem wird die Agentur renoviert und umgebaut. Gerade jetzt, im Sommer 2025 wird das Gebäude renoviert und bekommt einen neuen Anstrich. Im Gespräch mit den Verantwortlichen erfahren wir, dass allerdings die Angestellten noch die gleichen sind und eigentlich hat sich auch an ihrem Ansatz nicht viel geändert. Die Redakteure von Sana berichten darüber, was die Regierung sagt. Was sich geändert hat, ist das Vokabular: Die früher als Terroristen bezeichnet wurden, sind jetzt an der Regierung und die, die früher an der Regierung waren, heißen jetzt „Überbleibsel des vergangenen Regimes“.

Leider dürfen wir das neue Gebäude, die Redaktionsräume und noch nicht einmal das Logo von Sanaa zeigen, so die Anweisung. Immerhin durften wir zu Besuch kommen, das wäre früher undenkbar gewesen.

 

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