Irina Linke
August 1, 2024

Mit meinem Podcast will ich Menschen inspirieren

Liebe Samah, als erstes möchte ich Dich bitten, dich vorzustellen: Wer ist Samah Al-Shaghdari?

Samah Al-Shaghdari ist eine Journalistin, Schriftstellerin, Menschenrechtsaktivistin und Dichterin. Samah, das bin ich. Ich drücke meine Gefühle und Lebenserfahrungen am liebsten in Poesie aus. Ich habe Dokumentarfilme gemacht und als Regisseurin gearbeitet. Zuletzt habe ich einen Animationsfilm produziert. Es geht um Genitalverstümmelung im Jemen. Seit drei Jahren arbeite ich als Redakteurin bei Amal in hamburg und mache Lokaljournalismus für Menschen wie mich. Wir schreiben über alles, was in hamburg und Deutschland wichtig ist in den Muttersprachen der Geflüchteten. Naja, und dann habe ich noch diesen Podcast gemacht.

Aktivistin für Frauenrechte im Jemen – Aktivistin für die Rechte von Geflüchteten mit Behinderung in Deutschland

Samah

Du warst schon im Jemen sehr aktiv, hast Dich für Frauenrechte und für Freiheit eingesetzt und bist eine der bekanntestes Aktivistinnen der Revolution von 2011.

Ich begann meine Karriere mit der Verteidigung der Frauenrechte durch Poesie. 2010 erschien mein zweiter Gedichtband. Ich hatte ihn Gott gewidmet, was den Zorn einiger religiöser Kreise hervorrief. Sie fanden, dass es eine Beleidigung ist, wenn eine Frau ihr Buch Gott widmet. Diese Fatwa führte zu Morddrohungen, aber ich arbeitete weiter, ohne nachzugeben. Im Jahr 2011 war ich eine der prominentesten weiblichen Stimmen in der jemenitischen Revolution. Ich engagierte mich vor allem für bessere Gesetzgebung für Frauen. Es ging um das Verbot der Ehe minderjähriger Mädchen und Änderungen im Familienrecht, um Frauen beim Sorgerecht besserzustellen. Nachdem ich durch die Fatwa zur Ungläubigen erklärt wurde, wandte ich mich der Medienarbeit zu und gründete 2011 die „Sawt“-Stiftung, die sich für die Rechte der Frauen einsetzte. Die Vorwürfe gegen mich wurden stärker und ich musste schließlich den Jemen verlassen.

2011 spielten im Jemen Frauen eine große Rolle beim Aufstand gegen das Regime von Ali Abdullah Salah

Jemen1Jemen

Wie waren deine ersten Erfahrungen in Deutschland?

 In Deutschland hatte ich anfangs mit vielen Behinderungen zu kämpfen, darunter auch mit psychischen und sozialen Herausforderungen. Das inspirierte mich dazu, einen Podcast zu erstellen, der darauf abzielt, das Bewusstsein für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu schärfen. Ich dränge zugleich in Gesprächen mit Politiker:innen und Jurist:innen darauf, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Mir wurde klar, dass die Herausforderungen, vor denen ich und Menschen wie ich stehen, nicht nur mit Ausgrenzung und zum Teil auch Rassismus zusammenhängen. Es geht hier auch um das Bewußtsein, welche Möglichkeiten und Rechte Geflüchtete mit Behinderungen haben und wie sie diese wahrnehmen können. Hier setze ich mit meiner Arbeit, meinem Engagement und auch mit meinem Podcast an.

Um genau diesen Podcast „Du bist nicht allein“ soll es in diesem Interview gehen. Wie bist Du auf die Idee gekommen und worum geht es?

Es ist eine Herzensangelegenheit. Ich habe den tiefen Wunsch, meine schwierigen Erfahrungen zu teilen und anderen zu helfen, die so wie ich mit Behinderung nach Deutschland kommen. Geflüchtete mit Behinderung sind eine Gruppe, die mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Es geht mir darum, ihnen zu sagen, welche Rechte sie haben und welche Möglichkeiten sich auftun. Ich will ihnen auch ein Beispiel geben, dass man es schaffen kann. Das ganze sollte dann natürlich noch einzigartig, attraktiv und angenehm zu hören sein. Das ist mein Anspruch. 

Oha, das ist ein großer Anspruch. Wieso braucht es gerade jetzt einen solchen Podcast? 

Aus meiner Sicht gibt es mehrere Gründe, warum dieser Podcasts wichtig sind. Es geht darum, Menschen zu sensibilisieren. Durch verlässliche Informationen werden die Menschen in die Lage versetzt, sich besser an der Gesellscahft zu beteiligen. Ich biete marginalisierten Stimmen eine Plattform und fördere damit hoffentlich gesellschaftliche Veränderungen. Es geht letztendlich auch darum, politisches Umdenken anzuschieben. 

Samah

Du bist bei Handicap International aktiv. Bitte erzähl uns darüber.

Ich arbeite ehrenamtlich bei der Organisation Handicap International. Ich beteilige mich an einem Projekt zu Rechten von behinderten Geflüchteten. Wir entwickeln Strategien, um Einfluss auf die Gesetzgebung und Entwicklung von Förderprogrammen für Geflüchtete mit Behinderung und Menschen mit Einschränkungen allgemeinzu nehmen. Es geht um die Verbesserung der Integration in die Gesellschaft. Wir bieten Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen an.

Integration ist ja ein Prozess, bei dem sich mehrere Akteure bewegen müssen: Die Politik, die Gesellschaft und auch die Betroffenen. Fangen wir mit dem ersten Akteur an: Was sollte die Bundesregierung Deiner Meinung nach tun, um das Leben von Geflüchteten mit Behinderungen zu verbessern? 

Ich glaube, dass die Regierung mehr Richtlinien entwickeln sollte, um die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu unterstützen. Sie sollen Zugang zu gleichen Chancen in Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung sicherstellen. Auch gilt es für Programme und Initiativen, die das Leben von Menschen mit Behinderung erleichtern, mehr Budget zur Verfügung zu stellen. Zudem sollten Forschungs- und Innovationsprojekte in diesem Bereich mehr gefördert und die Übernahme von guten Beispielen aus dem Ausland gefördert werden.

Was kann die Gesellschaft tun, um Geflüchteten mit Behinderung die Integration zu erleichtern?

Hier ist psychologische und soziale Unterstützung gefragt. Ehrenamtliche Initiativen sind sehr wichtig. Es gilt das Thema in die Lehrpläne und in die allgemeine Diskussion stärker aufzunehmen. Junge Menschen müssen ein Verständnis dafür entwickeln, dass sie zuhören und lernen, mit Menschen mit Behinderung und Geflüchteten gut und ohne Diskriminierung zu interagieren.Wir haben keine genauen Zahlen, wieviele Geflüchtete mit Behinderung es in Deutschland gibt. Handicap International weiß jedoch, dass sie zum Teil mit großen Schwierigkeiten konfrontiert sind und sich oft alleingelassen fühlen.

Wie können Menschen mit Behinderung dazu beitragen, dass sie sich besser in die Gesellschaft integrieren?

Menschen mit Behinderungen müssen sich mehr in die Gesellschaft hineinbewegen, sich informieren und mehr interagieren. Nur so können sie ihre Situation verbessern, ihre Rechte wahrnehmen und in der Gesellschaft aktiv sein. Sie müssen sich über verfügbare Unterstützung und Ressourcen informieren und sich möglichst mit lokalen Gemeinschaften und Nichtregierungsorganisationen vernetzen. Kurz gesagt: Sie müssen aktiv werden.

Was ist das Lebensziel von Samah Al-Shaghdari?

Mein Ziel ist es, andere zu inspirieren und ich will mich für Gerechtigkeit und Gleichheit einsetzen. Ich möchte eine positive Veränderung bewirken und einen Eindruck hinterlassen, von dem andere in Zukunft profitieren können, sei es durch Poesie, journalistische Arbeit oder Doku-Filmen.

 

Hier geht es zu der Serie von Podcasts von Samah Al-Shaghdari auf Spotify

Amal ist stolz darauf, eine spezielle Sektion zum Thema Flucht und Behinderung auf der Webseite anzubieten. Hier.

Artikel über Samah Al-Shaghdari auf Amal hier